Moikka !
3. März 2011
Nachdem ich am Flughafen Helsinki ankam, die Kälte war bei erträglichen 0 Grad geblieben, sass ich nach einer Stunde herum irren erleichtert und erschöpft im richtigen Bus nach Lahti. Die Fahrt dauerte etwa 1 ½ Stunden. Mir wurde mitgeteilt nicht im Zentrum sondern in Hollola (Bezirk um Lahti herum) bei der Station „renkomäki abc“ auszusteigen. Auch bekam ich den Tipp dem Busfahrer meine Station zu sagen. Was ich dann auch gemacht habe.
Es war schon dunkel und ich döste so halb vor mich hin, während im Hintergrund die Stimme des Busfahrers die Namen der Stationen ins Mikro brummte. Mal ein längeres mal ein kürzeres Brummen. Durch einen Anruf der Gastmutter erfuhr ich, dass ich an der Station vorbeigefahren bin. Ihr Mann (Polizist, zu der Zeit im Dienst) hat vergebens bei Renkomäki ABC auf mich gewartet.
Im Bus sassen vielleicht noch 5 andere Leute bei denen ich mich dann erkundigte wo ich bin. Wir stiegen alle beim Zentrum aus, von wo ich ein Taxi nehmen sollte. Alle waren super freundlich und interessiert, da sich in Lahti normalerweise keine Touristen oder komische Au-pair-Mädchen aus der Schweiz aufhalten. Eine Frau sprach sogar Deutsch und erzählte von ihrem „Göttibueb“ der in der Nähe meines Zielortes wohnt. Spielt in einer Rockband oder so...
ich konnte dann das für die anderen Leute bestimmte Taxi benutzen, ein kleiner Shuttle-bus, in dem auch mein ganzes Gepäck (ein riesen Koffer, Gitarre, Rucksack und Tasche) Platz fand. Die Kinder schliefen schon friedlich als ich ankam und die Wohnung lag in gedämmtem Licht, was sie mir noch viel spezieller erscheinen liess als sie eh schon war. Alles schien wunderschön zu sein.
Die ersten 3 Wochen waren super. Zuerst war die Mutter noch zu Hause und führte mich in meine Aufgaben ein. Die Kinder hätten sich so schnell an mich gewöhnt, sagte sie und alles schien so perfekt. Der kleine Onni (auf Finnisch „Glück“) 2, 5 Jahre alt und das Mädchen Aada bald 5 Jahre waren wild und lustig.
Das Haus, das zuerst so wunderbar aussah, war leider noch nicht ganz fertig gebaut. Das Dach, der Anstrich und das Wichtigste die Sauna! (welche etwa einen Drittel des Hauses ausmachte) waren noch nicht installiert worden. Das Haus hatten sie selbst von Grund auf erbauen und designen lassen. Das Ergebnis war ziemlich cool aber verdammt teuer und so verfing sich das Ganze in einem über 5 Jahre langen Prozess mit Unterbrechungen infolge von Geldmangel.
Beide Elternteile arbeiteten etwa 5 - 7 Tage die Woche, der Vater arbeitete neben dem Job bei der Polizei am Haus mit und in der restlichen Zeit schlief er oder ass, während er irgendeinen Krimi las.
Anfang April wechselte die Mutter den Arbeitsplatz von einer Kleinkinder-Neurologie Klinik in eine andere mit älteren Patienten, mit der Idee Nachtschichten zu Arbeiten um mehr Geld zu verdienen. Daraus folgte, dass während des Tages an dem ich auf die Kinder aufpassen sollte zwar beide Eltern zu Hause waren, der eine aber schlafen sollte und der andere am Haus baute.
Die Mutter brachte es lange nicht hin zu schlafen während der Tageszeit, dazu kam dass die Kinder nicht verstanden warum die Eltern zu Hause waren ohne die Zeit mit ihnen zu verbringen. Meine Arbeitszeiten änderten immer wieder. Ich musste sehr flexibel sein. Dazu sollte ich neben den Kinder auch den Haushalt schmeissen.
Viele „kleine“ Dinge wie das Wasser für den Hund (ja auch ein 5 Monate alter Hund wurde gehalten), oder immer die Lichter in den Zimmern auslöschen etc. vergass ich öfter mal, da ich schrecklich bemüht war die Kinder bei Laune zu halten, zu Kochen und zu Putzen. Die Mutter wurde unzufrieden, auch fingen ihre kleinen Lieblinge an sich einen Spass aus dem Wort „tyhmä“ (dumm) zu machten z.Bsp. tyhmä äiti (Mutter), tyhmä Onni...
In der Freizeit verkroch ich mich im Zimmer oder ging nach draussen spazieren in der weiten schneebedeckten Natur die sich direkt um das Haus erstreckte. Über Ostern reiste ich nach Tallinn und Turku und über Vappu (1.Mai) war ich in Helsinki. Leider wurde meine Abwesenheit missverstanden und die Verbindung von mir zu den Kindern kam nach Meinung der Mutter nicht richtig zu Stande.
Als ich nach Vappu von Helsinki zurückkehrte (es war Sonntag) sollte ich gleich nach meinem Ankommen wieder auf die Kinder aufpassen. Als ich im Bus sass schneite es doch tatsächlich noch kurz nachdem der Schnee sonst schon weggeschmolzen und es zum Teil schon zu sommerlichen Temperaturen gekommen war.
Das Haus sah einer Müllhalde gleich, die Türen standen offen und die Kinder waren in Sommerklamotten draussen mit Wasser am Spielen.
Die Erklärung: die Mutter war für 2 Stunden auswärts und der Vater sollte auf die Kinder (inklusive seinem 8 jährigen Sohn, der jedes 2. Wochenende zu Besuch kam) aufpassen. Die Kinder draussen in der Kälte, der Vater drinnen vor dem Computer. Ich hatte keine Zeit den Koffer auszupacken und konnte direkten Weges den Kinder nachrennen. An diesem Tage beschloss ich die Familie zu verlassen. Da die Mutter immer wieder mal anklingen lassen hatte, dass sie die Kinder lieber in eine Tagesstätte bringen und ich mir einen anderen Platz suchen sollte, zögerte ich nicht und erzählte ihr noch am gleichen Abend mein Vorhaben.
Ich blieb noch eine Woche und probierte der Mutter Satu wo es nur ging zu helfen.
Satu war schon lange mit den Nerven ziemlich am Ende, da die Familie neben den Geldsorgen auch vieles Anderes nicht im Griff hatte und alles an ihr hängen blieb.
In der letzten Woche teilte sie mir mit, wie zufrieden sie mit meiner Arbeit hier sei und dass sie glaube es könnte doch ganz gut funktionieren mit mir und den Kinder. Aber ich wollte nur noch raus aus diesem von Problemen überhäuften Haus.
Aufgenommen wurde ich von einer unglaublichen Familie. Jari (41) Kirsi (40) Nea (11) und Niko (14) Peltola. Mein Sozialprojekt, in dem ich 3 Monate später startete, wird von der ICYE-Organisation geleitet, die jedem volontaire eine Supportfamilie zuteilt. Die Peltola’s haben sich als eben solche Familie zur Verfügung gestellt.
Den Tipp, diese Familie zu kontaktieren, bekam ich über eine ICYE-Freiwilligenarbeiterin aus Deutschland (mit der ich während der Anfangszeit viel herum gereist bin). Zusammen mit der Familie reiste ich im Sommer durch den Süden Finnlands der Küste entlang (mit Wohnwagen 1 Woche). An den Wochenenden war Mökki angesagt und einmal war ich noch für eine Woche babysitten in der Gegend bei Freunden. Mit meiner deutschen Kollegin besuchte ich das Ruisrock-openair in Turku, das Etnofestival in Rasepori, sowie die Stadt St. Petersburg.
Nun zu hier: Ich bin immer ziemlich müde nach der Arbeit. Das liegt womöglich auch daran, dass ich nicht zu genug Bewegung komme (oder an den Mäusen die mich die Nächte durch wach halten).
Die Kinder haben ihr eigenes Programm (Tanz und Sportclubs) meist ausserhalb von Päiväkumpu. Für die Mahlzeiten, Hausaufgaben, Schlafen und Ausruhen kommen sie nach Hause. Auch für das Kochen ist gesorgt. Das heisst die Leiter müssen nur dafür sorgen dass es einigermassen friedlich zu und her geht, bei den Hausaufgaben helfen und beim Chillen Gesellschaft leisten.
Manchmal putzen und Manchmal etwas basteln, zeichnen oder Geschichten vorlesen. Auch ein Musikzimmer ist enthalten. Dort wird auf dem Schlagzeug, den Gitarren und dem Klavier herumgehämmert. Gleich nebenan steht das Fitnesszimmer. Dort findet sich ein Box Sack und eine Liege zum Hanteln stemmen. Kürzlich haben wir auch noch einen Pingpongtisch aufgestellt.
Vor dem Schlafen und dem Essen wird immer gebetet. Wenn es mal nach draussen in den recht grosszügigen Hof hinaus geht wird nur selten vom Fußballrasen Gebrauch gemacht. Lieber fahren die Kinder mit den Fahrrädern im Kreise herum oder spielen auf der Schaukel „keinupolttis“. Manchmal wird auch mal was zusammen genagelt und die Handwerklichen Künste sind gefragt, aber auch nur wenn es grad Jemanden von den Leitern juckt.
Sonstige Ausflüge gibt es nur um etwas einzukaufen oder ins Schwimmbad zu gehen (dazu haben die Finnen einen Hang – ist auch viel schöner mit Sauna) oder zu Veranstaltungen im Dorf. Aber auch diese Aktivitäten sind eher kurz und zu Bewegung kommt man weniger. Man sitzt im Auto, in der Sauna, vor der Glotze oder am Esstisch. Das hört sich alles ziemlich trüb an und so ist der Herbst zumindest in Finnland auch (auch in der Schweiz?).
Da leider noch kein Schnee liegt kann man nicht Langlaufen oder Rodeln gehen und für Spaziergänge oder Fahrradtouren ist es zu kalt. Jeder Tag hält wider neue Überraschungen für mich bereit und so langweile ich mich keineswegs. Ich komme zwar nicht zu Sport, doch lerne ich jeden Tag mehr von der Sprache und den Leuten.
In der Freizeit besuche ich zweimal pro Woche den Finnisch Kurs in Lahti, schaue finnisches Fernsehen, manchmal nehme die Gitarre und bis jetzt sehr selten auch mal den Pinsel in die Hand. Die Wochenenden oder freien Tage verbringe ich mit meiner lieblings Familie, da ich an keinem anderen Ort so gut entspannen kann wie mit den Peltolas. Am liebsten im Mökki in Mäntyharju wo ich liebend gerne stricke/häkle und jeden Abend die Sauna inkl. See besuche.
Mit meiner Mitbewohnerin aus Kenia komme ich mittlerweile ganz gut zurecht. Anfangs tat sich das Kommunizieren noch etwas schwer. Mit meiner Schlaflosigkeit habe ich mich endlich abgefunden. Wahrscheinlich bin ich einfach ein Nachtmensch. Unangenehm ist nur das Geräusch der Mäuse! Oft verschlafe ich wenn ich in der Morgenschicht bin, was jedoch jedem hier so ziemlich egal ist (die Kinder finden es lustig) und so schlage ich mich ganz gut durch.
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